Diese Patienteninformation soll Ihnen helfen, das Krankheitsbild des PPPD besser zu verstehen. Sie ersetzt kein persönliches Gespräch mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt, sondern dient als ergänzende Information.
Was ist PPPD? (Persistent Postural-Perceptual Dizziness)
Deutsch übersetzt bedeutet es „Anhaltender postural-perzeptueller Schwindel“.
anhaltend → dauerhaft über längere Zeit
postural → mit Haltung, Körperposition oder Aufrichtung verbunden
perzeptuell → betrifft die Wahrnehmung bzw. Verarbeitung von Sinneseindrücken
Schwindel → Gefühl von Unsicherheit, Schwanken, Benommenheit oder Desorientierung
„Man könnte sagen, ein anhaltender in der Haltung wahrgenommener Schwindel“
PPPD ist ein chronischer Schwindel. Betroffene fühlen sich über Wochen oder Monate, teileweise jahrelang schwankend, unsicher oder benommen, ohne dass ständig eine akute Schwindelattacke besteht. Die Beschwerden sind oft dauerhaft spürbar oder treten in bestimmten Situationen verstärkt auf.
Internationale Diagnosekriterien der Bárány-Society
Leitsymptome
An mindestens 3 Monaten bestehen an den meisten Tagen eines oder mehrere der folgenden Symptome:
* Schwindelgefühl
* Unsicherheit/Stand- oder Gangunsicherheit
* Nicht-drehender Vertigo (kein Drehschwindel)
* Die Symptome halten über stundenlange Zeiträume an, schwanken aber in ihrer Intensität.
* Sie müssen nicht den ganzen Tag ununterbrochen vorhanden sein.
Symptomverstärkung durch bestimmte Faktoren
Die Beschwerden treten ohne spezifischen Auslöser auf, werden jedoch durch folgende Situationen verstärkt:
- Aufrechte Körperhaltung (z. B. Stehen, Gehen)
- Aktive oder passive Bewegung, unabhängig von Richtung oder Position
- Visuelle Reize, besonders bewegte visuelle Eindrücke oder komplex gemusterte Umgebungen
(z. B. Menschenmengen, Supermärkte, Bildschirme, Rolltreppen)
Auslösendes Ereignis
Der Beginn steht in Zusammenhang mit einem Zustand, der Schwindel, Unsicherheit oder Gleichgewichtsstörungen verursacht, etwa:
* Akute, episodische oder chronische vestibuläre Störungen
* Andere neurologische oder internistische Erkrankungen
* Psychische Belastung oder Stress
Verlauf
- Bei akuten oder episodischen Auslösern entwickeln sich die Symptome zunächst intermittierend und gehen dann in ein persistierendes Muster über, sobald der Auslöser abklingt.
- Bei chronischen Grunderkrankungen entwickeln sich die Symptome oft schleichend und nehmen allmählich zu.
Beeinträchtigungen
Die Symptome führen zu deutlichem Leidensdruck oder funktionellen Einschränkungen im Alltag (z. B. Vermeidung bestimmter Situationen, Einschränkungen im Beruf oder sozialen Leben).
Ausschluss anderer Ursachen
Die Beschwerden lassen sich nicht besser durch eine andere Erkrankung oder Störung erklären.
Typische Symptome
– Gefühl von Schwanken, Benommenheit oder „wie auf einem Schiff“
– Unsicheres Stehen oder Gehen
– Schwindel verstärkt sich besonders beim:
1. Gehen oder Stehen
2. Blick auf sich bewegende Objekte (z. B. Kaufhaus, Bildschirm, gemusterte Teppiche)
3. Aufenthalt in belebten oder visuellen Umgebungen
Die Symptome beeinflussen das Wohlbefinden deutlich. Viele Patienten verfallen immer mehr in Vermeidungsstrategien. Teilweise kann es bis zur völligen sozialen Isolation führen.
Wie entsteht PPPD?
PPPD beginnt häufig nach einem auslösenden Ereignis, z. B.:
– Akuter Schwindel (z. B. Lagerungsschwindel, Neuritis vestibularis)
– Angst- oder Panikattacken
– Migräne
– Trauma, medizinische Ereignisse
Stellen sie sich vor, sie geraten im Winter auf eine Eisfläche. Schlagartig befindet sich ihr Gehirn in einem Alarmmodus.
Dadurch entsteht eine erhöhte Aufmerksamkeit. Patienten mit einem PPPD kommen aus dieser erhöhten Wahrnehmung nicht mehr heraus und werden sensibel. Jede Bewegung wird verstärkt registriert, selbst wenn die eigentliche Ursache schon abgeklungen ist.
Diagnose
Es gibt keinen einzelnen Test zur Feststellung von PPPD.
Die Diagnose basiert auf:
– Gesprächen zu Beschwerden und Verlauf
– Ausschluss anderer Ursachen, kann aber auch koexistieren
– Typischem Beschwerdeprofil
Funktionsuntersuchungen (z. B. Hör- und Gleichgewichtstests, MRT) dienen meist dazu, andere Erkrankungen auszuschließen.
Therapiemöglichkeiten
Eine Kombination verschiedener Maßnahmen ist bei PPPD sinnvoll:
- Vestibuläre Therapie / Physiotherapie
Spezielle Gleichgewichts- und Habituationsübungen helfen dem Gehirn, zur normalen Reizverarbeitung zurückzufinden.
- Psychotherapie
Hier vorallem die kognitive Verhaltenstherapie.
Sie hilft, Angst, Schonverhalten oder Überaufmerksamkeit abzubauen und Bewegung wieder angstfrei zuzulassen.
- Medikamentöse Unterstützung
In manchen Fällen werden niedrig dosierte Antidepressiva (z. B. SSRI oder SNRI) eingesetzt, um die Reizverarbeitung zu normalisieren und Anspannung zu senken.
- Aufklärung und aktives Training
– Normale Aktivität fördern (kein dauerhaftes Sitzen/Vermeiden)
– Moderate Bewegung (z. B. Spazierengehen, leichtes Training)
– Entspannungsübungen
– Habituationsübungen für die vestibulären und visuellen Abhängigkeiten
Prognose
PPPD ist behandelbar. Viele Betroffene erleben eine deutliche Besserung innerhalb von Monaten, vor allem wenn ein Experte PPPD erkennt und eine gründliche Patientenedukation durchführt und die Möglichkeiten der Therapie gut kombiniert werden. Je früher begonnen wird, desto besser die Genesung. Oft haben sich durch einen langen Krankheitsverlauf viele Kompensationen und Verhaltensmuster eingeschlichen, die man oft schwer ablegen kann.
Was sollten Sie selber beachten?
– Vermeidungsstrategien erkennen und anpassen
– Gleichgewichtstraining (langsam und dosiert)
– Stress und Anspannung reduzieren
– Bei Fragen suchen sie Experten auf
Wann ist ärztliche Hilfe sinnvoll?
– Bei anhaltendem Schwindel über 3 Monate
– Bei Beeinträchtigung von Alltag, Arbeit oder sozialen Aktivitäten
– Sollten Symptome auch auf andere Erkrankungen hinweisen
Eine Referenzliste kann auf Wunsch eingesehen werden.