Diese Patienteninformation soll Ihnen helfen, das Krankheitsbild der Vestibulären Migräne besser zu verstehen. Sie ersetzt kein persönliches Gespräch mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt, sondern dient als ergänzende Information.

Was ist vestibuläre Migräne?

Die vestibuläre Migräne (VM) ist eine spezielle Form der Migräne, bei der wiederkehrende Schwindelattacken mit typischen Migränesymptomen kombiniert auftreten. Sie zählt zu den häufigsten Ursachen vestibulärer Störungen. Die Prävalenz in der Allgemeinbevölkerung liegt bei etwa 1 %, wobei Frauen rund fünfmal häufiger betroffen sind als Männer. Am häufigsten tritt die Erkrankung im Alter zwischen 20 und 50 Jahren auf.

Charakteristisch für die vestibuläre Migräne sind episodisch auftretende Schwindelanfälle, die mit Gleichgewichtsstörungen, Übelkeit und teilweise Kopfschmerzen einhergehen. Ausgelöst können sie durch Lageänderungen werden, aber auch spontan auftreten. Die Gleichgewichtsstörungen können sich in Form von Drehschwindel, Schwankschwindel oder einem Benommenheitsgefühl äußern.

Ein großer Teil der Betroffenen berichtet während der Attacken auch über typische Migränesymptome wie Licht- und Geräuschempfindlichkeit, Geruchsempfindlichkeit, visuelle Aura, Sehstörungen oder einseitige, pulsierende Kopfschmerzen. Bei etwa 30 % der Patientinnen und Patienten fehlen jedoch die klassischen Kopfschmerzen – stattdessen wird häufig ein unangenehmer Druck im Kopf beschrieben.

Die genauen Ursachen der vestibulären Migräne sind bislang nicht vollständig geklärt. Es wird jedoch angenommen, dass ähnliche Auslöser (Trigger) wie bei der klassischen Migräne eine Rolle spielen. Dazu gehören unter anderem Stress, Schlafmangel, hormonelle Veränderungen sowie Wetter- und Luftdruckschwankungen.

Zudem zeigen viele Betroffene eine besondere Empfindlichkeit gegenüber Bewegungsreizen – sowohl bei aktiver Bewegung (z. B. Gehen, Autofahren) als auch bei passiver Bewegung (z. B. als Mitfahrende). Auch visuelle Reize wie flackerndes Licht, Muster auf Teppichen oder Tapeten, das Scrollen auf Bildschirmen oder der Aufenthalt in Supermärkten können Schwindelattacken auslösen oder sehr unangenehm sein. 

 

Internationale Diagnosekriterien der Bárány Society:

A: Mindestens 5 Episoden mit vestibulärem Schwindel von mittlerer oder schwerer     Intensität, die 5 Minuten bis 72 Stunden dauert.

B: Aktuelle oder frühere Migräne mit oder ohne Aura gemäß der internationalen Klassifikation von Kopfschmerzerkrankungen (ICDH)

C: Ein oder mehrere Migränesymptome bei mindestens 50% der vestibulären Episoden.

  • Kopfschmerzen mit mindestens 2 der folgenden Merkmale:

Einseitige Kopfschmerzen, pulsierender Charakter, Moderate oder starke Schmerzintensität, Verschlimmerung durch alltägliche körperliche Aktivität

  • Photophobie und Phonophobie

D: Keine bessere Erklärung durch eine andere vestibuläre oder ICHD-Diagnose.

 

Typische Symptome

Schwindel: Betroffene erleben anfallsartig auftretenden Schwankschwindel oder Drehschwindel, der wenige Minuten bis hin zu mehreren Tagen andauern kann.

Gleichgewichtsstörungen: Häufig tritt ein Gefühl der Unsicherheit beim Gehen oder ein Verlust des Gleichgewichts auf.

Übelkeit: In vielen Fällen geht der Schwindel mit starker Übelkeit einher, die mit oder ohne Erbrechen auftreten kann.

Kopfschmerzen: Kopfschmerzen können begleitend auftreten, fehlen jedoch bei bis zu 30 % der Betroffenen.

Licht- und Lärmempfindlichkeit: Ähnlich wie bei anderen Migräneformen besteht häufig eine Überempfindlichkeit gegenüber Licht (Photophobie) und Geräuschen (Phonophobie).

Sehstörungen: Gelegentlich berichten Patientinnen und Patienten von visuellen Beeinträchtigungen wie Lichtblitzen oder verschwommenem Sehen.

Auditive Symptome: Während einer Attacke kann es zu Hörminderungen oder Ohrgeräuschen (Tinnitus) kommen.

Zwischen den Attacken

Auch in attackenfreien Phasen zeigen viele Patientinnen und Patienten mit vestibulärer Migräne eine ausgeprägte Überempfindlichkeit gegenüber vestibulären und visuellen Reizen. Sowohl auf eigene Bewegungen (aktive Reize) als auch auf äußere Bewegungen (passive Reize) wird besonders sensibel reagiert. Das visuelle System verarbeitet Bewegungen in der Umgebung verstärkt, wodurch das Gehirn mit Symptomen wie vestibulärem Schwindel, Schwanken und einem Gefühl von Unsicherheit reagiert. Oft besteht eine Überempfindlichkeit bei längeren Reisen, zB. Lange Autofahrten oder eine Reise mit dem Schiff.

Auslöser (Trigger)

Potenzielle Auslöser für eine Attacke können sein: 

  • Stress
  • Schlafmangel
  • Hormonelle Veränderungen 
  • Wetterwechsel
  • Vestibuläre Reize
  • Visuelle Reize
  • Laute Umgebungsgeräusche

Tipps zum Umgang mit Triggern:

  • Lichtempfindlichkeit: Verwenden Sie eine Brille mit FL-41-Tönung.
  • Lärmempfindlichkeit: Setzen Sie spezielle Musiker-Gehörstöpsel ein oder probieren Sie eine Pink-Noise-Therapie.
  • Schlafmangel: Etablieren Sie eine feste Schlafroutine.
  • Stress: Wenn möglich, nehmen Sie Anpassungen im Lebensstil vor.

Bei Triggern, die sich nicht vermeiden lassen, etwa Menstruation oder Wetterveränderungen, ist es ratsam, in dieser Zeit zusätzliche Auslöser möglichst zu vermeiden.

Behandlung

Die Behandlung besteht aus Anpassungen des Lebensstils und dem gezielten Umgang mit auslösenden Faktoren (Triggermanagement). Zusätzlich ist es wichtig, die vestibuläre und visuelle Überempfindlichkeit zu trainieren, damit sich das Gleichgewichtsorgan und vor allem das Gehirn schrittweise wieder an Reize gewöhnen können. In manchen Fällen können zudem Medikamente sowohl zur Vorbeugung von Attacken als auch zur Behandlung akuter Phasen hilfreich sein.

 

Was Sie selbst tun können

  • Ärztliche Abklärung: Bei Verdacht auf eine vestibuläre Migräne sollten Sie einen Facharzt aufsuchen, um eine gesicherte Diagnose zu erhalten.
  • Symptomtagebuch: Führen Sie einen Schwindel- und Kopfschmerzkalender, um Häufigkeit und mögliche Auslöser Ihrer Beschwerden besser nachvollziehen zu können.
  • Gesunder Lebensstil: Achten Sie auf einen regelmäßigen Schlaf-Wach-Rhythmus, eine ausgewogene Ernährung und ausreichend Flüssigkeitszufuhr.
  • Entspannungstechniken: Methoden wie progressive Muskelentspannung oder Yoga können hilfreich sein, um Stress zu reduzieren.
  • Gezieltes Training: Vestibuläre und visuelle Reize sollten durch ein angepasstes Übungsprogramm schrittweise trainiert werden, um eine Gewöhnung (Habituation) zu erreichen.

 

Wichtiger Hinweis

Die Therapie der vestibulären Migräne sollte stets individuell abgestimmt und in enger Zusammenarbeit mit Ihrem behandelnden Arzt oder Therapeuten durchgeführt werden.

Eine Referenzliste kann auf Wunsch eingesehen werden.

→ Hier geht es zum PDF “Vestibuläre Migräne”